Sorgerecht
Die gemeinsame elterliche Sorge besteht nicht nur nach der Trennung der Eltern, sondern auch nach deren Scheidung fort. Allerdings bestimmt § 1687 BGB, dass die Befugnisse der gemeinsam sorgeberechtigten Eltern nach der Trennung anders verteilt werden.
So unterliegen Angelegenheiten des täglichen Lebens der alleinigen Entscheidungsbefugnis desjenigen Elternteils, bei dem sich das Kind mit Einwilligung des anderen Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung gewöhnlich aufhält. Angelegenheiten des täglichen Lebens sind solche, die häufig vorkommen und keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben. Durch diese Zuordnung von alleinigen Befugnissen des betreuenden Elternteils wird die gesetzlich geregelte gemeinsame elterliche Sorge faktisch der Alleinsorge angenährt. Im alltäglichen Leben unterscheidet sich die gemeinsame elterliche Sorge praktisch nicht von der Alleinsorge des betreuenden Elternteils. Mit der Frage der alleinigen Entscheidungsbefugnis des betreuenden Elternteils korrespondiert ein entsprechendes Vertretungsrecht in diesen Angelegenheiten nach außen hin.
Solange sich das Kind mit Einwilligung des für die alltäglichen Angelegenheiten zuständigen Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung bei dem anderen, ebenfalls sorgeberechtigten Elternteil (z. B. im Rahmen von Besuchskontakten) aufhält, steht diesem die alleinige Befugnis zur Entscheidung in Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung zu. Die Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung betreffen in erster Linie Fragen der Ernährung, der Bettruhe usw.
Bei Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung ist das Einvernehmen beider sorgeberechtigter Eltern erforderlich. Hierbei handelt es sich um Angelegenheiten, die nur seltener vorkommen und die schwer abzuändernde Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben. Ob es sich im Einzelfall um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung handelt, ist unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse zu bestimmen. Übersicht:
Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung | Angelegenheiten des täglichen Lebens |
Schule/Ausbildung
Wahl der Schulart und Schule, der Ausbildungsstätte, der Fächer, Fachrichtungen; Besprechung mit Lehrern über gefährdete Versetzung; Wahl der Lehre und Lehrstätte |
Schule/Ausbildung
Entschuldigung im Krankheitsfall, Teilnahme an Sonderveranstaltungen, Notwendigkeit von Nachhilfe, unbedeutende Wahlmöglichkeiten im Rahmen des gewählten Ausbildungsgangs (z. B. Wahlfächer, Schulchor etc.) |
Gesundheit
Operationen (außer Eilfälle), med. Behandlungen mit erheblichem Risiko, grundlegende Entscheidungen der Gesundheitsvorsorge |
Gesundheit
Behandlung leichterer Erkrankungen üblicher Art (z. B. Erkältungen), alltägliche Gesundheitsvorsorge, Routineimpfungen |
Aufenthalt
Grundentscheidung, bei welchem Elternteil das Kind lebt, freiheitsentziehende Unterbringung |
Aufenthalt
Aufenthaltsbestimmung im Einzelnen (Wahl des Wohnsitzes, Teilnahme an Ferienlager, Besuch bei Großeltern etc.) |
Umgang
Grundentscheidung des Umgangs betreffend das Ob und Wie des Umgangs |
Umgang
Einzelentscheidungen im täglichen Vollzug (z. B. Kontakte des Kindes zu Nachbarn, Fernhalten eines unerwünschten Freundes) |
Status- und Namensfragen
Sind wohl von erheblicher Bedeutung, vgl. § 1617 II BGB |
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Fragen der Religion
Angelegenheit von erheblicher Bedeutung, vgl. RelKErzG |
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Geltendmachung von Unterhalt
I.d.R von erheblicher Bedeutung, vgl. § 1629 II 2, III 1 BGB |
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Vermögenssorge
Grundlegende Fragen der Art der Anlage von Kindesvermögen; grundlegende Fragen der Verwendung |
Vermögenssorge
Vergleichsweise unbedeutende Angelegenheiten (z. B. die Verwaltung von Geldgeschenken) |
Können sich die Eltern im Einzelfall nicht einigen, so entscheidet auf Antrag das Familiengericht.
Mit Zustimmung des anderen Elternteils kann die elterliche Sorge auf einen Elternteil allein übertragen werden. Das Familiengericht wird von einem entsprechenden übereinstimmenden Vorschlag der Eltern lediglich bei Gefährdung des Kindeswohls abweichen.
Stimmt ein Elternteil nicht zu, so wird die gemeinsame elterliche Sorge nur aufgehoben und die Alleinsorge auf den Antrag stellenden Elternteil übertragen, wenn dies dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Verweigert der nicht betreuende Elternteil häufig seine Mitwirkung bei bestimmten Angelegenheiten bzw. häufen sich Streitigkeiten der Eltern bezüglich der Ausübung des Sorgerechts, so stellt dies den Fortbestand der gemeinsamen elterlichen Sorge grundsätzlich in Frage. Der Antrag eines Ehegatten auf Übertragung der Alleinsorge kann in diesem Fall begründet sein. Allerdings reicht der Streit der Eltern in einem für die Erziehung des Kindes wesentlichen Punkt allein nicht ohne weiteres aus, um die gemeinsame Sorge aufzuheben. Es kommt darauf an, in welchem Umfang überhaupt ein Einvernehmen der Eltern erforderlich ist. Erst wenn es an jeglicher Kooperationsbereitschaft der Eltern fehlt und sich die Gegensätze und Spannungen zwischen den Eltern als unüberbrückbar erweisen, wird einem Alleinsorgeantrag entsprochen. Insbesondere schließen die üblichen Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Trennung eine gemeinsame elterliche Sorge noch nicht aus. Erst wenn die Konflikte dauerhaft fortbestehen und insbesondere eine Kommunikation der Eltern untereinander nicht mehr stattfindet und auch in Zukunft nicht möglich erscheint, wird einem Antrag auf Alleinsorge stattgegeben.
Maßgebliches Kriterium für eine Sorgerechtsentscheidung ist stets das Kindeswohl. Hierbei ist zu prognostizieren, bei welchem Elternteil das Kind voraussichtlich die besseren Entwicklungsbedingungen erhält, welche Regelung dem Willen und den Neigungen des Kindes entspricht, zu welchem Elternteil das Kind die tragfähigere emotionale Bindung hat, bei welcher Entscheidung die Bindung des Kindes zu den Geschwistern am besten gewahrt werden kann usw. Die Beurteilung der subjektiven Kriterien wie des Kindeswillens gestaltet sich häufig schwierig, da Kinder häufig beeinflusst oder manipuliert werden. Dem vom Kind geäußerten Willen ist umso mehr Bedeutung beizumessen, je älter das Kind ist. So wird eine Sorgerechtsregelung gegen den erklärten Willen eines 14jährigen Kindes kaum in Betracht kommen, zumal ihre Durchsetzung auf Schwierigkeiten stoßen dürfte. Bei jüngeren Kindern muss ggf. mit Hilfe eines psychologischen Sachverständigengutachtens Klarheit über das Gewicht und die Äußerungen des Kindes gewonnen werden. Für die zu treffende Prognose stellen die bisherige Entwicklung und das Verhalten der Eltern insbesondere in der Trennungszeit eine wesentliche Grundlage dar.
In bestimmten Fällen kommt auch die Übertragung von Teilbereichen der elterlichen Sorge in Betracht. Möglich ist auch die Aufspaltung der Personen- und Vermögenssorge, wenn sie im Interesse des Kindes notwendig ist.
Umgangsrecht
Der Umgang mit beiden Elternteilen sowie mit anderen Personen, zu denen das Kind Bindungen besitzt, ist für die Entwicklung des Kindes förderlich und dient somit dem Kindeswohl. Das Recht eines Elternteils auf Umgang mit dem Kind soll dem nicht betreuenden Elternteil die Möglichkeit verschaffen, sich über das körperliche und geistige Befinden des Kindes zu informieren, einer Entfremdung vorbeugen und die verwandtschaftlichen Beziehungen zu dem Kind aufrecht zu erhalten. Besteht Uneinigkeit der Eltern über Art und Weise des Umgangs, entscheidet auf Antrag das Familiengericht. Dabei ist, ebenso wie beim Sorgerecht, diejenige Entscheidung zu treffen, welche unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Kindeswohl am besten entspricht. Die Einschränkung oder der Ausschluss des Umgangsrechts oder dessen Vollziehung setzen voraus, dass dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. D. h., dass eine Durchsetzung des Umgangsrechts nur dann ausgeschlossen wird, wenn dies zu einer Gefährdung des Kindeswohls führt.