Gewaltschutz

Es ist zu unterscheiden zwischen dem zivilrechtlichen Gewaltschutz und dem öffentlich-rechtlichen Gewaltschutz nach dem jeweiligen Landespolizeigesetz.

  1. Polizeilicher Gewaltschutz

Die Polizei kann bei Vorliegen einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer anderen Person Maßnahmen der Gefahrenabwehr treffen, insbesondere eine Person aus der Wohnung sowie deren unmittelbarer Umgebung verweisen und die Rückkehr bis zur Dauer von 10 Tagen untersagen. Die Verweisung kann verlängert werden, sofern innerhalb dieser Frist zivilrechtlicher Gewaltschutz beantragt wird.

Erforderlich ist stets eine Prognose des zukünftigen hypothetischen Geschehensablaufs, um beurteilen zu können, ob eine zu einem Schaden führende Situation wahrscheinlich ist. Grundlage dieser Gefahrenprognose sind ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte, Erfahrungen des täglichen Lebens oder das Erfahrungswissen der Polizei. Dabei ist von besonderer Bedeutung, ob es in der Vergangenheit bereits zu Gewalttätigkeiten gekommen ist.

Da die beteiligten Personen meist widersprüchliche Angaben machen, ist eine Interessenabwägung anhand der möglichen Folgen der Wohnungsverweisung bzw. dessen Unterbleiben vorzunehmen. Diese fällt in der polizeilichen Praxis überwiegend zugunsten der Person aus, die sich auf Gewaltanwendung beruft. Auch wenn dieses Ergebnis wegen der damit eröffneten Missbrauchsmöglichkeit nicht unbedenklich ist, kann es hingenommen werden, wenn die Wirkungsdauer der polizeilichen Maßnahme auf wenige Tage beschränkt bleibt und eine Fortdauer des Wohnungsbetretungsverbots – nunmehr im Rahmen des familienrechtlichen Gewaltschutzes – eine richterliche Prüfung und Anordnung voraussetzt.

  1. Zivilrechtlicher Gewaltschutz

Für Gewaltschutzsachen sind die Familiengerichte zuständig.

Gewaltschutzsachen sind Schutzanordnungen nach § 1 GewSchG und Anordnungen zur Wohnungsüberlassung nach § 2 GewSchG. Bei der Wohnungsüberlassungen sind Überschneidungen mit § 1361 b BGB möglich. Eine Wohnungsüberlassung nach § 2 Abs. 2 GewSchG ist auf maximal 6 Monate zu begrenzen, wenn der Antragsgegner als Eigentümer oder Mieter Rechte an der Wohnung hat. Die Wohnungszuweisung nach § 1361 b BGB erfolgt in der Regel für die gesamte Trennungszeit.

Das Gewaltschutzverfahren wird in der Regel als summarisches Anordnungsverfahren geführt. Eine abschließende Klärung des Sachverhalts kann im sich anschließenden Hauptsacheverfahren erfolgen, zwingend ist ein solches jedoch nicht.

Stellt das Gericht fest, das eine vorsätzliche Verletzung von Körper, Gesundheit oder Freiheit einer anderen Person begangen worden bzw. mit ihrer Begehung aufgrund konkreter Umstände zu rechnen ist, so liegt ein dringendes Bedürfnis für eine Maßnahme des vorläufigen Rechtsschutzes vor. Die zu treffenden Maßnahmen sind nach Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu bestimmen und als vorläufige Maßnahmen regelmäßig zu befristen.

Mit der Endentscheidung nach § 2 GewSchG soll das Gericht die Anordnungen treffen, die für die praktische Durchführung und ggf. Vollstreckung der Entscheidung erforderlich sind (§ 215 FamFG). Der Inhalt der Anordnungen kann nicht generell bestimmt werden, sondern ist auf die individuellen Verhältnisse abzustimmen. So kann das Gericht z. B. anordnen

  • die Herausgabe der Wohnung bei der Zuweisung der Wohnung an einen Beteiligten, selbst wenn dies nicht ausdrücklich beantragt worden ist;
  • die Regelung der Mitbenutzung von Wohnungsteilen (Bad, Küche) beim Verbleiben beider Beteiligten in der Wohnung;
  • die Einräumung einer Räumungsfrist;
  • die Herausgabe der Wohnungsschlüssel;
  • ein Betretungs- und Näherungsverbot hinsichtlich der Wohnung;
  • das Gebot an den aus der Wohnung gewiesenen Beteiligten, der alleiniger Eigentümer oder Mieter der Wohnung ist, sich jeder Verfügung über die Wohnung zu enthalten, die das Nutzungsrecht des anderen Beteiligten beeinträchtigen könnte.

§ 216 a FamFG bestimmt eine Pflicht zur Mitteilung von gerichtlichen Anordnungen nach §§ 1, 2 GewSchG sowie deren Änderung oder Aufhebung an die zuständigen Polizeibehörden und andere öffentliche Stellen. Als solche Stellen, die von der Durchführung der Anordnungen betroffen sind, kommen insbesondere in Betracht Kindergärten, Schulen, Frauenhäuser und Jugendhilfeeinrichtungen, soweit sie in öffentlicher Trägerschaft der Kommune bzw. des Landes betrieben werden.

Immobilienverkauf

Immobilienverkauf: Der Mieter bleibt, auch wenn der Eigentümer wechselt

In Zeiten niedriger Zinsen wird die Geldanlage in Immobilien für viele immer interessanter. Ist diese noch vermietet, gibt es beim Kauf allerdings einige wichtige Besonderheiten zu beachten. Diese werden vom Käufer leicht übersehen, da für ihn die Frage der Finanzierung der Immobilie und steuerliche Aspekte meist im Vordergrund stehen.

Bestehende Mietverhältnisse werden häufig nur unzureichend thematisiert. Ganz egal, ob die Immobilie Anlageobjekt sein soll oder der Käufer sie selbst bewohnen will, ist die Regelung des § 566 BGB zu beachten. Nach dieser Vorschrift tritt der Käufer anstelle des Verkäufers in jedes bestehende Mietverhältnis ein. Das Mietverhältnis wird dann mit dem Käufer als neuem Eigentümer fortgesetzt.

Wird im Kaufvertrag ein bestehendes Mietverhältnis nicht erwähnt, kann dies zu Streitigkeiten bis hin zu Schadenersatzklagen führen. Der Umgang mit den laufenden Mietverhältnissen muss daher immer im notariellen Kaufvertrag geregelt werden. Bereits vor Abschluss des Kaufvertrags muss deshalb geklärt werden, ob der Käufer bereit ist, eine vermietete Immobilie zu erwerben. Der Notar wird dann sowohl Käufer als auch Verkäufer auf die Punkte hinweisen, die im Vertrag einer besonderen Vereinbarung bedürfen.

Wenn der Käufer das bestehende Mietverhältnis fortsetzen will, müssen dazu genaue Regelungen im Kaufvertrag getroffen werden. Zum Beispiel ab wann die Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag auf den Käufer übergehen sollen und ihm insbesondere die Miete zusteht. Auch im Zusammenhang mit der vom Mieter gezahlten Kaution können beim Eigentümerwechsel Haftungsfragen auftreten, über deren Vermeidung der Notar ebenfalls berät, ohne dass hierfür zusätzliche Kosten anfallen.

Sind sich Käufer und Verkäufer hingegen einig, dass die Immobilie mietfrei zu übergeben ist, sollte im Kaufvertrag die Räumung durch den Mieter als Voraussetzung für die Zahlung des Kaufpreises vereinbart werden. Damit muss der Käufer den Kaufpreis erst dann zahlen, wenn der Mieter das Kaufobjekt verlassen hat. Allerdings sollten sich Verkäufer auch nicht vorschnell zur Mietfreistellung verpflichten, sondern nur, wenn die wirksame Beendigung des Mietverhältnisses rechtlich möglich und die rechtzeitige Räumung durch den Mieter sichergestellt sind. Allein seine Immobilie unvermietet zu einem höheren Preis verkaufen zu können, gibt dem bisherigen Eigentümer grundsätzlich noch keinen Kündigungsgrund. Besondere Vorsicht ist in diesem Zusammenhang auch bei einer Eigenbedarfskündigung geboten. Dem Verkäufer steht ein Kündigungsrecht wegen Eigenbedarfs nämlich nicht mehr zu, da durch den Verkauf sein eigener Bedarf entfallen ist. Umgekehrt tritt der Käufer nicht bereits mit Abschluss des notariellen Kaufvertrags, sondern erst mit der Eigentumsumschreibung im Grundbuch in das Mietverhältnis ein. Der Käufer kann deshalb wegen Eigenbedarfs erst nach seiner Eintragung im Grundbuch rechtswirksam kündigen. Für die Vertragsparteien ist es daher wichtig, sich durch den Notar im Vorfeld auch über die Voraussetzungen einer wirksamen Kündigung sowie die bestehenden Kündigungsfristen umfassend informieren zu lassen.

Bei vermieteten Eigentumswohnungen besteht zudem eine weitere Besonderheit. War eine Wohnung bereits vor Wohnungseigentumsbegründung vermietet, kann dem Mieter ein Vorkaufsrecht zustehen. Der Notar wird dann eine Vereinbarung im Vertrag empfehlen, nach der der Käufer den Kaufpreis erst zahlen muss, wenn sicher ist, dass der Mieter sein Vorkaufsrecht nicht ausübt.

Für Käufer und Verkäufer ist es deshalb wichtig, ein Augenmerk auch auf bestehende Mietverhältnisse zu haben und sich beim Abschluss des Kaufvertrags beraten zu lassen.

Belegeinsicht

Nebenkostenabrechnung: Die Belegeinsicht

Bei der Nebenkostenabrechnung kommt es oft zu Unstimmigkeiten über die zugrunde liegenden Belege. Der folgende Beitrag zeigt, was für Mieter und Vermieter im Zusammenhang mit der Belegeinsicht gilt.

  1. Grundsätze zur Belegeinsicht

Für eine ordnungsgemäße Betriebskostenabrechnung müssen Belege nicht notwendig beigefügt werden. Verweigert jedoch der Vermieter die Belegeinsicht, kann der Mieter die der Abrechnung zugrunde liegenden Tatsachen mit Nichtwissen bestreiten und eine Nachforderung zurückbehalten, bis er Belegeinsicht erhält. Nimmt er umgekehrt die ihm angebotene Belegeinsicht nicht wahr, kann er die Abrechnung oder einzelne Positionen nicht mehr pauschal bestreiten.

  1. Praktische Vornahme der Belegeinsicht

Der Mieter hat grundsätzlich nur das Recht, die Originalbelege einzusehen. Ort der Belegeinsicht ist daher der Sitz des Vermieters bzw. seiner Hausverwaltung. Daneben gibt es folgende Ausnahmen:

  • Besteht eine große Entfernung zwischen dem Aufbewahrungsort der Belege und dem Mietobjekt, muss der Mieter sich nicht darauf verweisen lassen, sich „auf die Reise zu den Belegen“ zu begeben. Er kann verlangen, dass die Originalbelege zum Ort der Mieträume gebracht werden und ihm dort Einsicht in Räumen des Vermieters verschafft wird (LG Freiburg NZM 12, 23).
  • Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (WuM 06, 200) kann der Mieter Fotokopien der Belege gegen Erstattung der Kosten verlangen, wenn er nicht am Ort des Sitzes des Vermieters/Hausverwaltung wohnt und es ihm deshalb oder aus anderen Gründen unzumutbar ist, die Originalbelege einzusehen. Dies kann z.B. in einem hohen Alter des Mieters liegen, d.h. die Einsicht in die Belege kann aus gesundheitlichen Gründen für den betagten Mieter nicht möglich sein.
  • Dem Mieter kann es grundsätzlich nicht verwehrt werden, zur Belegeinsicht einen Berater mitzubringen (LG Berlin WuM 06, 617). Er kann auch die Belege an Ort und Stelle fotografieren (AG München NJW 10, 78). Der Vermieter muss die Benutzung seines Kopiergeräts nämlich nicht gestatten (AG Charlottenburg GE 10, 1205).
  • Hat sich der Mieter fachkundiger Hilfe nicht bedient oder dies unterlassen, obwohl er die Möglichkeit dazu gehabt hätte, kann er sich später nicht darauf berufen, sich in den Belegen nicht zurecht gefunden zu haben (LG Berlin WuM 06, 617). Gerade für ältere Mieter wird die Unterstützung bei der Belegeinsicht sinnvoll sein.
  • Auf eine ausschließliche Belegeinsicht durch einen beauftragten Rechtsanwalt oder einen Mieterverein muss sich der Mieter allerdings auch nicht verweisen lassen (BGH NZM 10, 576).
  • Dem Mieter muss eine zumutbare Einsichtnahme in die Unterlagen angeboten werden (BGH WuM 06, 616). Wird ihm nicht ausreichend Zeit gegeben, gilt die Belegeinsicht als verweigert (AG München NZM 06, 929).
  • Eine pauschale Anforderung von Belegen, falls der Mieter Anspruch auf Übersendung hat, ist zu unbestimmt, der Mieter muss die Belege bezeichnen (LG Berlin GE 03, 1492).
  • Erhält der Mieter Kopien der Belege zugesandt, so hat er die Kosten für die Kopien zu erstatten. Diese sind mit 0,25 EUR pro Kopie anzusetzen (AG Brandenburg GE 03, 55). Der Vermieter kann die Übersendung von Vorschusszahlung in Höhe der Kopierkosten abhängig machen (LG Leipzig NZM 05, 944).

Kündigungsschutz für Senioren

Senioren als Wohnraummieter haben Möglichkeiten, über die andere nicht verfügen. Ein Beispiel dafür ist der Kündigungsschutz.

Widerspruch gegen die Kündigung (§§ 574, 574b BGB)

Insbesondere für ältere Mieter ist es wichtig, dass sie gegen eine Kündigung Widerspruch erheben können. Die hierfür anwendbare Sozialklausel greift jedoch nur bei einer ordentlichen Kündigung. Bei einem Widerspruch sind die folgenden Punkte zu beachten:

  • Der Mieter muss der Kündigung spätestens zwei Monate vor Beendigung des Mietverhältnisses widersprechen (Widerspruchsfrist).
  • Er kann den Widerspruch auch noch im ersten Termin des Räumungsprozesses erklären, wenn er nicht durch den Vermieter vor Ablauf der Widerspruchsfrist auf die Möglichkeit, die Form und die Frist des Widerspruchs hingewiesen worden ist.
  • Die Erklärung des Widerspruchs bedarf der Schriftform.
  • Der Widerspruch muss nicht begründet werden. Dem Inhalt nach genügt der erkennbare Wille des Mieters, der Kündigung widersprechen zu wollen.
  • Die gesetzliche Bestimmung, wonach der Mieter über die Gründe des Widerspruchs auf Verlangen des Vermieters Auskunft erteilen soll, stellt lediglich eine Obliegenheit ohne nachteilige Rechtsfolgen dar.

Wirkung des Widerspruchs

Aufgrund des Widerspruchs kann der Mieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen. Dafür müssen sich die Parteien über die Fortsetzung einigen oder sie muss durch Urteil bestimmt werden. Ein Anspruch des Mieters auf Fortsetzung kann bestehen, wenn Härtegründe vorliegen. Es findet eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Mieters und Vermieters statt. Die üblicherweise mit einem Wohnungswechsel verbundenen Beeinträchtigungen reichen nicht aus. Mögliche Widerspruchsgründe speziell für Senioren sind:

  • Hohes Alter des Mieters,
  • Lange Dauer des Mietverhältnisses,
  • Krankheit und Gebrechlichkeit,
  • erhebliche nicht abgewohnte wirtschaftliche Aufwendungen auf die Mieträume,
  • angemessener Ersatzwohnraum kann zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden,
  • kurzfristiger nicht zumutbarer Zwischenumzug.

Unterhaltsbedarf: Gleichbehandlung von Unterhaltsansprüchen aus erster und zweiter Ehe

Der geschiedene Ehemann kann die Herabsetzung des Unterhalts für die geschiedene Ehefrau verlangen, wenn er wieder geheiratet hat und nunmehr auch seiner neuen Ehefrau unterhaltspflichtig ist. In welchem Umfang er gegenüber der neuen Ehefrau unterhaltspflichtig ist, bestimmt sich dann allerdings nicht nach der frei wählbaren Rollenverteilung innerhalb der neuen Ehe, sondern nach den strengeren Maßstäben, wie sie auch für geschiedene Ehegatten gelten.

Diese Entscheidung traf der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall eines Ehepaars, das 2003 geschieden wurde. Der Mann musste seit der Scheidung Unterhaltszahlungen an die Frau erbringen. Er ist mittlerweile wieder verheiratet und hat zwei Kinder. Seine zweite Frau ist nicht berufstätig. Bei der gerichtlichen Neuberechnung des Unterhalts wurden zwar die Unterhaltspflichten gegenüber den beiden Kindern berücksichtigt, nicht aber die Unterhaltspflicht gegenüber der jetzigen Ehefrau. Hiergegen richtet sich die Klage des Mannes.

Der BGH hat in seiner Entscheidung noch einmal auf seine neue Rechtsprechung hingewiesen:

  • Nach früherer Praxis wurde das Einkommen des Unterhaltspflichtigen zum Stichtag der Ehescheidung zunächst zwischen ihm und dem geschiedenen Ehegatten aufgeteilt (sog. Stichtagsprinzip). Nur das verbleibende Einkommen stand ihm für sich und seine neue Familie zur Verfügung.
  • Nach der geänderten Rechtsprechung ist das Einkommen nunmehr gleichmäßig aufzuteilen. Auch der erste Ehegatte müsse auf den Standard begrenzt sein, der dem Unterhaltspflichtigen aktuell zur Verfügung stehe. Sinke dessen Lebensstandard durch hinzugetretene Unterhaltspflichten oder andere unverschuldete Einkommensrückgänge, treffe dies auch den Unterhaltsberechtigten.

Im Rahmen der Unterhaltsberechnung hat der BGH hingegen nicht akzeptiert, dass die neue Ehefrau – anders als die geschiedene Frau – nicht erwerbstätig ist. Vielmehr seien für die geschiedene wie für die neue Ehefrau die gleichen Maßstäbe anzuwenden. Zwar sei die Rollenverteilung in der neuen Ehe gesetzlich zulässig und könne nicht als rechtsmissbräuchlich bewertet werden. Die Rollenverteilung betreffe indessen nur das Innenverhältnis zwischen den neuen Ehegatten. Dass diese im Verhältnis zum geschiedenen Ehegatten nicht ausschlaggebend sein dürfe, ergebe sich bereits aus der vom Gesetzgeber im anderen Zusammenhang getroffenen Entscheidung, wonach für den geschiedenen und den neuen Ehegatten im Hinblick auf die Erwerbsverpflichtung die gleichen Maßstäbe gelten sollten. Daher sei der Unterhalt der neuen Ehefrau zum Zwecke der Gleichbehandlung so zu ermitteln, als wäre die neue Ehe ebenfalls geschieden (BGH, XII ZR 65/09).

Rückständiger Unterhalt: Nach einem Jahr droht Verwirkung

Rückständige Unterhaltsforderungen unterliegen der Verwirkung. Sie müssen deshalb binnen Jahresfrist geltend gemacht werden. Anderenfalls droht die Verwirkung; d.h. der rückständige Unterhalt kann nicht mehr geltend gemacht (eingeklagt oder auch vollstreckt) werden.

Hierauf hat das Thüringer Oberlandesgericht (OLG) hingewiesen. Anlass der Entscheidung war die Klage eines Vaters, der sich gegen die Vollstreckung eines im März 2003 ergangenen Unterhaltsurteils zur Wehr gesetzt hat. Dies tat er zu Recht, denn die beiden minderjährigen Töchter hatten nach dem Urteil mehr als fünf Jahre verstreichen lassen und den Vater erst im Oktober 2007 wieder zur Zahlung aufgefordert. Damit war der rückständige Unterhalt zum großen Teil verwirkt. Nur die ab Oktober 2006 aufgelaufenen Rückstände muss der Vater noch bezahlen; die älteren Rückstände können die Töchter nicht mehr verlangen.

Zur Begründung wiesen die Richter darauf hin, dass Ansprüche auf rückständigen Unterhalt für den Zeitraum vor dem 1.10.2006 wegen langjähriger Nichtgeltendmachung verwirkt seien. Für Unterhaltsrückstände gelte nichts anderes als für andere in der Vergangenheit fällige Ansprüche. Sie unterlägen der Verwirkung, wenn sich ihre Geltendmachung unter dem Gesichtspunkt illoyal verspäteter Rechtsausübung als unzulässig darstelle. Dass die Verjährung der Unterhaltsansprüche eines minderjährigen Kindes bis zu dessen Volljährigkeit gehemmt sei, ändere hieran nichts, wenn aus besonderen Gründen sowohl das „Zeit- als auch das Umstandsmoment“ der Verwirkung erfüllt sei. Mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei das Zeitmoment bereits nach etwas mehr als einem Jahr erfüllt; anderenfalls könnten Unterhaltsrückstände zu einer erdrückenden Schuldenlast anwachsen. Das Umstandsmoment frage danach, ob sich der Schuldner mit Rücksicht auf das Verhalten des Gläubigers darauf einrichten durfte und auch darauf eingerichtet habe, dass das Recht auch künftig nicht mehr geltend gemacht werde. Von einem dringend auf den Unterhalt angewiesenen Gläubiger müsse erwartet werden, dass er sich zeitnah um dessen Durchsetzung kümmere. Werde hiervon abgesehen, erwecke dies regelmäßig den Eindruck, der Unterhaltsgläubiger sei in dem fraglichen Zeitraum nicht bedürftig (OLG Thüringen, 2 WF 85/09).

Schönheitsreparaturklausel: Vorschrift zum „Weißen“ der Decken ist unwirksam

Die formularmäßige Verpflichtung des Mieters, Decken und Oberwände auch während der Mietzeit zu „weißen“, ist wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters unwirksam.

So entschied der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall eines Mieters. Dessen Mietvertrag sah vor, dass er die Schönheitsreparaturen zu tragen habe. Weiterhin war vereinbart, dass die Renovierung nach Erforderlichkeit, spätestens aber zum Ende des Mietverhältnisses vorgenommen werden müsse. Dabei müssten die Schönheitsreparaturen insbesondere umfassen: Anstrich und Lackierungen der Innentüren sowie der Fenster und Außentüren von Innen sowie sämtlicher Holzteile, Versorgungsleitungen und Heizkörper, das Weißen der Decken und Oberwände sowie der wischfeste Anstrich bzw. das Tapezieren der Wände. Weil der Mieter die Renovierungen nicht durchgeführt hatte, klagte der Vermieter auf Schadenersatz.

Seine Klage blieb jedoch in allen Instanzen erfolglos. Der BGH nutze die Entscheidung, seine Rechtsprechung zur (Un-)Wirksamkeit von Farbgestaltungsklauseln zu verfeinern. Schon früher hatte er entschieden, dass eine Vertragsklausel unwirksam sei, die Schönheitsreparaturen „in neutralen, hellen, deckenden Farben“ vorsehe, sofern sie nicht auf den Zustand der Wohnung im Zeitpunkt der Rückgabe der Mietsache beschränkt sei, sondern auch für Schönheitsreparaturen im Laufe des Mietverhältnisses gelte. Durch die Vorgabe der Farben werde der Mieter in der Gestaltung seines persönlichen Lebensbereichs einschränkt, ohne dass dafür ein anerkennenswertes Interesse des Vermieters bestehe. Im vorliegenden Fall ging die Formulierung „Weißen der Decken“ zulasten des Vermieters. Die Richter stellten klar, dass es nicht fernliegend sei, unter dem Begriff „Weißen“ nicht nur ein Synonym zu „streichen“, sondern einen Anstrich in der Farbe Weiß zu verstehen. Könne der Mieter die Klausel auch in dieser Weise verstehen, liege ebenfalls eine Einschränkung seines persönlichen Lebensbereichs vor. Die Klausel sei daher unwirksam, der Vermieter könne folglich auch keinen Schadenersatz für die unterbliebene Renovierung verlangen (BGH, VIII ZR 224/07; VIII ZR 344/08).

Dienstreisen

Dienstreisen: Reisezeit oder Arbeitszeit?

Dienstreisen sind immer mehr Bestandteil der „normalen“ Tätigkeitsanforderungen. Dabei stellt sich regelmäßig die Frage, ob der Arbeitgeber Dienstreisen einseitig anordnen kann, wie Reisezeiten arbeitszeitrechtlich einzuordnen sind, und ob der Arbeitgeber die über die reguläre Arbeitszeit hinausgehenden Reisezeiten vollständig vergüten muss. Vorliegend werden die arbeitszeitrechtlichen und vergütungsrechtlichen Aspekte von Reisezeiten erläutert.

  1. Muss ein Arbeitnehmer Dienstreisen unternehmen?

Nicht jeder Arbeitnehmer ist zu Dienstreisen bereit. Eine Verpflichtung des Arbeitnehmers, Dienstreisen zu unternehmen, besteht unproblematisch nur bei einer ausdrücklichen Regelung im Arbeitsvertrag. Daneben kann der Arbeitgeber aufgrund seines Weisungs- und Direktionsrechts eine Dienstreise anordnen, wenn diese im Zusammenhang mit der vertraglich geschuldeten Tätigkeit des Arbeitnehmers steht. Diese Anordnung ist aber unzulässig, wenn hierdurch die Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers einseitig geändert wird.

  1. Gesetzliche Regelung zur Arbeitszeit?

Die gesetzliche Grundlage zur Regelung der Arbeitszeit ist das Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Danach darf die werktägliche Arbeitszeit acht Stunden nicht überschreiten. Ausnahmsweise kann sie auf bis zu zehn Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit ist eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden zu gewähren (§§ 3, 5 ArbZG).

Beispiel: Ein in Leipzig tätiger Arbeitnehmer soll an einer ganztägigen Besprechung am Münchner Standort teilnehmen. Er tritt die Dienstreise um 7 Uhr an und ist erst wieder gegen 21 Uhr in Leipzig. Die höchstzulässige Arbeitszeit von 10 Stunden/Werktag würde überschritten, sofern die Reisezeiten als Arbeitszeit zu werten sind.

Arbeitszeit ist definiert als die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne Pausen. Bei der zulässigen Höchstarbeitszeit brauchen Fahrzeiten daher prinzipiell nicht berücksichtigt werden. Daher muss der Arbeitgeber bei Dienstreisen zwischen Wege-/Reisezeit und Arbeitszeit differenzieren.

  • Wegezeiten sind alle während der Arbeitszeit, innerhalb oder außerhalb des Betriebsgeländes aus betrieblichem Anlass unternommenen Wege innerhalb der Gemeindegrenzen des Betriebsorts.
  • Reisezeiten sind dagegen alle unabhängig von der betrieblichen Arbeitszeit auf Anordnung des Arbeitgebers unternommenen Reisen außerhalb der Gemeindegrenzen des Betriebsorts.
  1. Stellen Wegezeiten Arbeitszeit dar?

Keine Wegezeiten sind die Zeiten von der Wohnung zum Arbeitsplatz. In dieser Zeit steht der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nicht zur Verfügung. Wegezeiten gelten in folgenden Fällen als Arbeitszeit:

  • Wegezeit von der Wohnung zu einer außerhalb des Betriebs gelegenen Arbeitsstelle für die Zeit, die über die Wegezeit Wohnung-Betrieb hinausgeht.
  • Betriebsbedingte Wegezeiten vom Betrieb zu außerhalb des Betriebs gelegenen Arbeitsstellen (z.B. vom Bauhof zum Ort der Montage, oder von Kunde zu Kunde) sind Arbeitszeit im Sinne des ArbZG und daher bei der Berechnung der Höchstarbeitszeit zu berücksichtigen.
  1. Wann sind Reisezeiten als Arbeitszeit einzuordnen?

In folgenden Fällen stellen Reisezeiten Arbeitszeit dar:

  • Reisen ist Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers (z.B. Lkw-Fahrer, Taxifahrer);
  • Reisen ist Voraussetzung für die Erbringung der Hauptleistungspflicht (z.B. Handelsvertreter, Pharmareferent).

Nach der Beanspruchungstheorie ist Reisezeit Arbeitszeit, wenn der Arbeitnehmer während dieser Zeiten in einem Umfang beansprucht wird, der eine Einordnung als Arbeitszeit erfordert. Dieses ist dann gegeben:

  • Der Arbeitnehmer muss während der Dienstreise seine arbeitsvertragliche Hauptleistungspflicht erfüllen (z. B. Vorbereitung einer Präsentation, Führen von Telefonaten, Verfassen von E-Mails etc.). Steht es dem Arbeitnehmer frei, wie er diese Zeit nutzt (ausruhen, lesen), handelt es sich um Ruhezeit im Sinne des ArbZG.
  • Das Steuern eines Pkw beinhaltet bei den heutigen Verkehrsverhältnissen nicht unerhebliche physische und psychische Belastungen für den Arbeitnehmer und ist daher als Arbeitszeit zu qualifizieren.

Liegt Arbeitszeit vor, ist der Arbeitgeber verpflichtet, bei Überschreiten der höchstzulässigen Arbeitszeit einen zusätzlichen Freizeitausgleich zu gewähren.

  1. Sind Reisezeiten vom Arbeitgeber zu vergüten?

Die Frage nach der Vergütung ist unabhängig von der arbeitszeitrechtlichen Einordnung. Ob Reisezeiten zu vergüten sind, richtet sich nach den Regelungen im Arbeitsvertrag. In folgenden Fällen muss eine Vergütung erfolgen:

  • Die Reisetätigkeit stellt die arbeitsvertraglich geschuldete Hauptleistung des Arbeitnehmers dar (z.B. Reiseleiter, Taxifahrer);
  • Die Reisetätigkeit ist keine arbeitsvertragliche Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers, jedoch zwingende Voraussetzung für die Erfüllung seiner Tätigkeit (z.B. Handelsvertreter);
  • Falls eine vertragliche Regelung fehlt, gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

Allerdings kann der Arbeitnehmer die vollständige Vergütung von Reisezeiten nicht in jedem Fall erwarten. Entscheidend sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Bei einem leitenden Angestellten oder bei einer sonstigen gehobenen Position kann eine Vergütungspflicht ausscheiden. Das gilt insbesondere, wenn das Gehalt des Arbeitnehmers deutlich oberhalb der allgemeinen durchschnittlichen Bezahlung der übrigen Beschäftigten liegt. Ebenso scheidet eine Vergütungspflicht aus, wenn abweichende Regelungen getroffen wurden. Zur Vermeidung von Streitigkeiten über die Vergütung von Reisezeiten ist es sinnvoll, rechtzeitig verbindliche Vereinbarungen im Arbeitsvertrag zu treffen.

Vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit

Vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit kann außerordentliche Kündigung rechtfertigen

Der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist erschüttert, wenn feststeht, dass ein Arbeitnehmer erklärt hat, er könne eine angebotene Schwarzarbeit ausführen. Eine derart vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit berechtigt den Arbeitgeber zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung.

Das musste sich ein Arbeitnehmer vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht (LAG) sagen lassen. Nachdem der Krankenstand des über 50 Jahre alten Mitarbeiters eines Metallunternehmens deutlich angestiegen war, entschloss sich sein Arbeitgeber, einen Detektiv zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeiten einzuschalten. Dieser rief unter einem Vorwand bei dem krankgeschriebenen Mitarbeiter an und äußerte, jemanden für Innenausbautätigkeiten zu benötigen und zwar zum Wände einreißen, Mauern und für Malerarbeiten. Der Mitarbeiter habe – so die Behauptung des Arbeitgebers – dem Detektiv mitgeteilt, dass er mauern könne und auch mit Malerarbeiten kein Problem habe und gefragt, was man ihm denn zahlen würde und erklärt, er könne sofort anfangen. Auf die Frage des Detektivs, warum er sofort anfangen könne, ob er denn arbeitslos sei, habe er erklärt, dass er zurzeit krank sei und sofort für diese Arbeiten zur Verfügung stehe. Ohne darum gebeten worden zu sein, habe er dem Detektiv seine private Handynummer gegeben und ihm erklärt, wenn er niemanden bekäme, dann solle er unbedingt bei ihm zurückrufen. Der Mitarbeiter wandte hingegen ein, er habe den Detektiv in dem Gespräch lediglich darauf hingewiesen, dass er ihm nicht helfen könne, da er seit über 20 Jahren im Metallbau tätig wäre und daher die geforderten Arbeiten für ihn fremd wären. Er habe dem Detektiv jedoch erklärt, er könne seinen Bruder bzw. andere Kollegen fragen, ob diese solche Arbeiten ausführen würden, und ihm aus diesem Grund auch seine Handynummer gegeben. Der Arbeitgeber kündigte im Hinblick auf die von ihm behaupteten Einlassungen des krankgeschriebenen Mitarbeiters das Arbeitsverhältnis fristlos mit dem Vorwurf der vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit.

Die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers blieb vor dem LAG ohne Erfolg. Nachdem sie den Detektiv als Zeugen gehört hatten, stand für die Richter fest, dass der gekündigte Mitarbeiter dem Detektiv seine Arbeitsleistung für schwere körperliche Arbeiten im Innenausbau angeboten habe. Damit habe er seine Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht. Dieser Umstand könne auch eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, wenn sich der Arbeitnehmer damit keine Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber erschlichen habe (weil wie vorliegend der 6-wöchige Entgeltfortzahlungszeitraum des § 3 EFZG bereits abgelaufen war). Auch erschüttere schon die angekündigte Arbeitsbereitschaft während einer Arbeitsunfähigkeit und nicht erst das tatsächliche Durchführen von Arbeiten den Beweiswert eines Arbeitsunfähigkeitsattests. Schließlich verletze der Arbeitnehmer mit seiner Täuschungshandlung auch die für das Arbeitsverhältnis erforderliche Vertrauensbasis zwischen den Parteien.

Auch die Interessenabwägung rechtfertige nach Auffassung des LAG keine andere Bewertung. Dies gelte ungeachtet der langen Dauer des Arbeitsverhältnisses und der bestehenden Unterhaltspflichten des Mitarbeiters. Die betrieblichen Interessen an der sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses würden nach Ansicht der Richter überwiegen. Der Arbeitgeber habe nämlich insoweit auch zu berücksichtigen, wie sich das Verhalten auf das der übrigen Arbeitnehmer auswirke, wenn er von einer Kündigung absehe. Insoweit handele es sich noch um Folgen des Fehlverhaltens, für das der Arbeitnehmer einzustehen habe (Hessisches LAG, 6 Sa 1593/08).

Wärmedämmung einer Grenzwand

Nachbar muss Überbau nicht hinnehmen

Die Wärmedämmung einer Grenzwand über die Grenze hinaus muss vom Nachbarn nicht hingenommen werden.

Diese Entscheidung traf das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe im Streit zweier Nachbarn. Das Haus des Beklagten B ist bis an die Grundstücksgrenze zum Nachbarn und Kläger A gebaut. Auf dem Grundstück des A führt seine ca. 4,50 bis 5,00 m breite Grundstückseinfahrt an der Grenze entlang. Ohne Genehmigung des A begann B damit, auf der Außenwand seines Gebäudes eine breite Isolierung aufzubringen. Diese würde an der Seite zu A nach dem Aufbringen des Putzes mit einer Gesamtdicke von 15 cm in dessen Grundstück hineinragen und die Einfahrt verengen. Nachdem A den Dämmmaßnahmen erfolglos widersprochen hatte, erwirkte er beim Landgericht (LG) Karlsruhe den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Hiernach hatte B es zu unterlassen, auf der Außenfassade eine in das Grundstück des A hineinragende Außenisolierung anzubringen. Die hiergegen gerichtete Berufung des B zum OLG blieb ohne Erfolg.

Die Richter bestätigten vielmehr den Unterlassungsanspruch des A gegen B. A müsse die in sein Grundstück hineinragende Isolierungsmaßnahme nicht als Überbau dulden. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch müsse ein Nachbar den Überbau nur dulden, wenn der Bauherr bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut habe, ohne dass ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last falle. Hier habe B jedoch grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt. Wer im Bereich der Grundstücksgrenze baue und sich nicht gegebenenfalls durch Hinzuziehung eines Vermessungsingenieurs darüber vergewissere, ob der für die Bebauung vorgesehene Grund auch ihm gehöre und er die Grenzen seines Grundstücks nicht überschreite, handele gegebenenfalls grob fahrlässig. Nach Ansicht der Richter sei B bewusst gewesen, dass sein Gebäude unmittelbar an der Grundstücksgrenze stehe und dass die Dämmplatten zwingend in das Grundstück des A hineinragen würden.

Eine Duldungspflicht ergebe sich auch nicht aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis. Sowohl der Bundes- als auch der Landesgesetzgeber hätten entsprechende Überbauregelungen getroffen, nach der nur ausnahmsweise von einem Eigentümer ein Eingriff in sein Eigentum hinzunehmen sei. Deshalb würden allein das grundsätzliche Interesse des Eigentümers oder das Gemeinwohlinteresse an einer verbesserten Wärmedämmung als energetische Maßnahme nicht zu einer Duldungspflicht führen. Andere besondere Umstände seien im Streitfall nicht vorgetragen. Es sei nicht geltend gemacht worden, dass die Wärmedämmung zwingend vorgenommen werden müsse, oder dass sie aus technischen Gründen nur außen an der Fassade erfolgen könne (OLG Karlsruhe, 6 U 121/09).